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Hilfe für die chronisch kranke Niere durch bekanntes Blutdruckmedikament möglich

Veröffentlicht am: 3. März 2015

in Kategorie: Dialyse & Organtransplantation


Nierenforscher der UMG finden im Blut Biomarker für das Fortschreiten einer chronischen Nierenerkrankung. Sie entdecken: Altbekanntes Bluthochdruckmedikament in niedriger Dosis schützt die chronisch kranke Niere. Veröffentlicht in „EBioMedicine“.

(umg) Wenn die Nieren chronisch krank sind, gibt es bislang noch keine Behandlung, die direkt bei der Ursache ansetzt. Etwa 15 Prozent der Erwachsenen in Deutschland sind davon betroffen. Dabei gelten sogenannte epigenetische Veränderungen in Zellen der Niere als entscheidender Faktor, der beim Voranschreiten chronischer Nierenerkrankungen eine Rolle spielt.  Nierenforscher an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben jetzt unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Zeisberg, Klinik für Nephrologie und Rheumatologie der UMG, neue Erkenntnisse gewonnen, die für eine ursächliche Behandlungsstrategie hilfreich sein können. Die Forscher fanden heraus: Die epigenetische Abschaltung des Gens „RASAL1“ trägt ursächlich zum Fortschreiten chronischen Nierenversagens bei. Spuren dieser epigenetischen Veränderungen in Zellen der Nieren lassen sich mit einem neuen Bluttest nachweisen. Ein weiteres Ergebnis ihrer Untersuchungen: Ein altes Medikament gegen Bluthochdruck, das Medikament „Dihydralazin“, macht offenbar schädliche epigenetische Veränderungen bei chronischen Nierenerkrankungen rückgängig. Ein entsprechender Effekt ist ebenfalls im Blut messbar. Damit eröffnen sich möglicherweise Ansätze für eine ursächliche Behandlungsstrategie bei Patienten mit chronisch-kranken Nieren. 

Die Ergebnisse der Göttinger Nierenforscher sind im Januar 2015 im Wissenschaftsjournal “EBioMedicine” erschienen.

Originalpublikation: Induction of Tet3-dependent epigenetic remodeling by low-dose Hydralazine attenuates progression of kidney fibrosis. Tampe B, Tampe D, Zeisberg EM, Muller GA, Bechtel-Walz W, Koziolek M, Kalluri R, Zeisberg M. EBioMedicine 2 (2015), pp. 19-36; doi: 10.1016/j.ebiom.2014.11.005

Hintergrund

Dass epigenetische Veränderungen in der Niere zum Voranschreiten chronischer Nierenerkrankungen beitragen, ist unter Nierenforschern weitgehend akzeptiert. Im Blick hat die Nierenforschung dabei vor allem einen Mechanismus: die DNA-Methylierung: Durch das Anhängen von Methylketten an DNA wird die Erbsubstanz von Nierenzellen so verändert, dass die Niere chronisch erkrankt. Diese Erkenntnis war bisher klinisch nicht verwertbar. Kein Arzt hätte daraus einen Nutzen für seine Patienten ableiten können. Der Grund: Eine veränderte krankheitsrelevante Methylierung in der Niere hätte sich bisher nur über eine Untersuchung von Nierengewebe nachweisen lassen. Dafür hätte zuvor Nierengewebe mittels invasiver Biopsie entnommen werden müssen.

Ergebnisse im Detail

„Wir haben entdeckt, dass die erkrankte Niere methylierte DNA-Fragmente in das Blut freisetzt. Mittels eines neuen Testverfahrens können wir die Fragmente nachweisen“, sagt Prof. Dr. Michael Zeisberg, Leiter des Teams und Senior-Autor der Publikation. Die UMG-Forscher konnten auf diese Weise zudem Hinweise sammeln, die zeigen, dass die Konzentration von RASAL1 methylierten DNA-Fragmenten ursächlich mit dem Schweregrad der Erkrankung in Wechselbeziehung steht. Bei nierenkranken Patienten, die mit dem Blutdruckmittel Dihydralazin behandelt worden waren, schritt das Nierenversagen weniger rasch voran als bei Patienten, die nicht mit Dihydralazin behandelt worden waren. Nierenkranke, mit Dihydralazin behandelte Patienten hatten eine normale Konzentration von RASAL1 methylierten DNA-Fragmenten im Blut.

Dihydralazin wird bereits seit 1947 als Blutdruckmedikament verwendet, ist derzeit aber weitgehend anderen Typen von effektiveren Blutdrucksenkern gewichen. Wegen der sehr geringen Gefahr von Nebenwirkungen wird es nach wie vor bei Schwangeren als Blutdruckmedikament der ersten Wahl verwendet. Die Schutzwirkung für die Niere wurde bisher übersehen, weil das Bluthochdruckmittel die chronisch erkrankte Niere offenbar nur dann schützt, wenn es deutlich unterhalb der Dosierung liegt, die normalerweise zur Blutdrucksenkung verwendet wird.

Die Göttinger Nierenforscher konnten erstmalig zeigen, dass Dihydralazin – unabhängig von seiner blutdrucksenkenden Wirkung – einen körpereigenen de-methylierenden Mechanismus anregt und im Tiermodell das Voranschreiten chronischer Nierenerkrankung hemmt. „Offenbar löst das Blutdruckmittel Dihydralazin einen körpereigenen, Mechanismus aus, der nur ausgewählte Gene wie RASAL1 de-methyliert. Wir vermuten daher, dass der de-methylierende Effekt von Dihydralazin wahrscheinlich nebenwirkungsärmer ist als bei de-methylierenden Chemotherapeutika, die an alle Gene ansetzen“, sagt Prof. Zeisberg. „Unsere Erkenntnisse setzen uns jetzt in die Lage, mittels eines Bluttests Patienten identifizieren zu können, die dann möglicherweise von einer kausalen und sicheren Therapie mit Dihydralazin profitieren.“ In einer pro-spektiven Studie möchten die Göttinger Forscher die Schutzwirkung von Dihydralazin an Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen weiter untersuchen. Die Finanzierung einer solchen klinischen Studie ist noch nicht geklärt. Die bisherigen Untersuchungen der Göttinger Nierenforscher wurden gefördert von der Else-Kröner Fresenius Stiftung, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), vom National Institutes of Health (NIH) und von der UMG.

www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352396414000292

Presseinformation Nr. 035 vom 03. März 2015

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