Ein Eiweißmolekül, das in manchen Tumoren verstärkt gebildet wird, ist offensichtlich für die Entstehung einer schweren Nierenerkrankung verantwortlich.
Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben diesen Zusammenhang jetzt entschlüsselt und ihre Ergebnisse im New England Journal of Medicine und im Journal of Clinical Investigation veröffentlicht. Für Patienten mit vermehrter Eiweißausscheidung kann dies praktische Konsequenzen haben: Eine Tumorerkrankung kann eventuell früher erkannt und besser therapiert werden.
Seit mehr als 50 Jahren ist bekannt, dass es im Rahmen von Krebserkrankungen – vor allem bei Prostata-, Lungen- und Darmkrebs – zum Auftreten von Nierenerkrankungen kommt. „Die Gründe für die Entstehung dieser Nierenerkrankungen lagen bisher im Dunkeln. Jetzt ist es uns gelungen, die Zusammenhänge zu entschlüsseln“, erklärt Prof. Dr. Rolf A.K. Stahl, Direktor der III. Medizinischen Klinik.
Die beiden Nachwuchswissenschaftler Dr. Elion Hoxha und Dr. Nicola Tomas aus der Arbeitsgruppe von Prof. Stahl haben bei einer Patientin mit einem Karziom der Gallenblase nachgewiesen, dass in dem Tumor ein spezielles Eiweißmolekül (Thrombospondin Type 1 Domain Containing 7A) vermehrt gebildet wurde. Die Patientin hat Autoantikörper gegen dieses Eiweißmolekül entwickelt, was in einer Nierenerkrankung, der sogenannten membranösen Glomerulonephritis, resultierte (Hoxha et al., NEJM, 2016). Das Eiweißmolekül selbst hatten die Wissenschaftler bereits vor zwei Jahren als Ursache für die Entstehung der entzündlichen Nierenerkrankung, die chronisch verlaufen und zum Nierenversagen führen kann, charakterisiert; diese Forschungsergebnisse wurden ebenfalls im New England Journal of Medicine veröffentlicht.
In einer weiteren Serie von Experimenten haben die UKE-Forscher gezeigt, dass Antikörper gegen das Eiweißmolekül diese Nierenerkrankung bei Tumorpatienten auslösen kann (Tomas et al., JCI, 2016). „Aus unseren Beobachtungen ergibt sich im Umkehrschluss für Patienten, die vermehrt Eiweiß im Urin ausscheiden, dass sie auf das Vorliegen dieser Autoantikörper untersucht werden sollten. Im Falle eines positiven Antikörpernachweises sollte eine intensive Abklärung erfolgen, ob eine bisher nicht erkannte Krebserkrankung vorliegt, die dann unter Umständen früher erkannt und besser therapiert werden kann“, erklärt Prof. Stahl.
Die Forschungsarbeiten der UKE-Wissenschaftler werden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Klinischen Forschergruppe 228 und des neuen Sonderforschungsbereiches 1192 „Immunvermittelte glomeruläre Erkrankungen“ gefördert.
Literatur:
Hoxha E, Wiech T, Stahl PR, Zahner G, Tomas NM, Meyer-Schwesinger C, Wenzel U, Janneck M, Steinmetz OM, Panzer U, Harendza S, Stahl RA. A Mechanism for Cancer-Associated Membranous Nephropathy. N Engl J Med. 2016; 374(20): 1995-1996. doi: 10.1056/NEJMc1511702.
Tomas NM, Hoxha E, Reinicke AT, Fester L, Helmchen U, Gerth J, Bachmann F, Budde K, Koch-Nolte F, Zahner G, Rune G, Lambeau G, Meyer-Schwesinger C, Stahl RA. Autoantibodies against thrombospondin type 1 domain-containing 7A induce membranous nephropathy. J Clin Invest. 2016 May 23. pii: 85265. doi: 10.1172/JCI85265.
Quelle: Pressemitteilung Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) vom 24.05.2016