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Neue Richtlinien für die Nierenlebendspende: Was muss aus Sicht der Nephrologie enthalten sein?

Veröffentlicht am: 17. September 2015

in Kategorie: Dialyse & Organtransplantation


Die Nephrologie erhofft sich von der „Richtlinie für die Nierenlebendspende“, die derzeit erarbeitet wird, vor allem strukturelle Verbesserungen.

Die Forderungen sind eine bundesweit standardisierte Aufklärung von Lebendspendern und -empfängern sowie mehr Mittel für das Spender-Assessment und die Spender-Nachsorge.

Derzeit wird eine Richtlinie für die Nierenlebendspende, eine gegenüber der postmortalen Spende subsidiäre Form der Organspende, erarbeitet. Das ist eine wesentliche Neuerung – denn bislang fehlt eine solche. Zwar gibt es verschiedene internationale Leitlinien, die medizinische Eckpunkte abstecken und Kontraindikationen darstellen – aber letztlich sind dem behandelnden Arzt Interpretationsspielräume gegeben. In Absprache mit dem Gesetzgeber hat sich die Bundesärztekammer an die Aufgabe gemacht, eine „Richtlinie für die Lebendspende“ zu erstellen und damit konkrete Handlungsempfehlungen an die Hand zu geben, besonders im Hinblick auf die Frage, wer sich für eine Lebendspende eignet und wer nicht. Zur Erstellung der Richtlinie wurde eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Ständigen Kommission Organtransplantation eingesetzt. Notwendig ist die Richtlinie vor allem deshalb, weil nach wie vor in Deutschland ein Register fehlt, das auch die Spender mit erfasst und nachbeobachtet. 

Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) hält die Erstellung der Richtlinie für einen wichtigen Schritt – auch, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Organspende wieder herzustellen. Prof. Dr. Barbara Suwelack, Münster, hofft darauf, dass sie gerade auch zu strukturellen Fortschritten führen wird. „Es gibt einen Harmonisierungsbedarf bei der Patientenaufklärung, bei der Durchführung des Spender-Assessments und der Spender-Nachsorge. Die rein medizinischen Aspekte sind hingegen bereits relativ gut in den bestehenden Leitlinien beleuchtet, in denen absolute Kontraindikationen definiert sind und relative Kontraindikationen vertieft, zum Teil aber auch kontrovers diskutiert werden.“

Zu den relativen Kontraindikationen zählt beispielsweise der moderate Bluthochdruck bei Lebendspendern. Die Leitlinien sind sich einig: Potenziell ein Risiko, aber wenn sich der Hochdruck einfach und in Abwesenheit von Hochdruckschäden, auf Normalwerte bringen lässt, darf man Lebendorgan-Spender werden. „Während bei absoluten Kontraindikationen die Sache klar ist, hat der Arzt bei den relativen Kontraindikationen einen Ermessensspielraum und muss von Fall zu Fall prüfen und entscheiden.“ 

Suwelack betont, dass Mediziner solche Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen auf Basis des aktuellen Wissenschaftsstands fällen müssen. Das Entscheidende ist aber, dass immer das „Nicht-Schaden“-Konzept („nihil nocere“) verfolgt wird, der Spender also vor möglichen Schäden bewahrt wird. Doch die Medizin entwickelt sich schnell und der heutige Erkenntnisstand kann in vier, fünf Jahren überholt sein. „Das Fatigue-Syndrom, das heute als Risiko einer Lebendspende in aller Munde ist, war uns bis vor wenigen Jahren in diesem Kontext nicht bekannt. Bis heute ist unklar, ob es auch tatsächlich eine direkte Folgeerscheinung der Spende ist und, wenn ja, wie häufig sie auftritt.“ Dass die Klagen ernst genommen wurden und das Patientenwohl im Vordergrund stehe, zeige sich daran, dass eine große Studie („Safety Of Living KIdney Donor/SOLKID“) zu dieser Frage mit Unterstützung des Bundesministeriums für Forschung aufgelegt wurde. „In ein, zwei Jahren wissen wir, ob die Fatigue ein relevantes Risiko für unsere Patienten ist und möglicherweise wodurch es begünstigt wirdr“, erklärt Suwelack.

Kontinuierliche Forschung und wissenschaftlicher Erkenntniszuwachs sind also wichtig für die Lebendspende – noch dringlicher seien laut Suwelack momentan aber eine verbesserte bzw. standardisierte Patientenaufklärung: „Potenzielle Nierenspender müssen über ihr individuelles Risiko klar, verständlich und umfassend aufgeklärt werden – egal in welchem Zentrum sie vorstellig werden – und sollten erst auf dieser Basis ihre Entscheidung treffen.“ Auch versicherungsrechtliche Aspekte müssen angesprochen werden. Vor diesem Hintergrund wird derzeit an einem einheitlichen Aufklärungsleitfaden gearbeitet. 
Entscheidend ist aber auch, dass die Arzt-Patienten-Kommunikation glückt. „Um das sicherzustellen, werden mehr Mittel, Human- und Zeit-Ressourcen benötigt – das ist nebenbei im Klinikalltag kaum zu leisten“, so Suwelack.

Mehr Ressourcen müssten auch in die medizinische Voruntersuchung des potenziellen Spenders fließen. Die DGfN beanstandet, dass die Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) aber zunehmend die Finanzierung der stationären Spenderabklärung verweigern. „Das ist nicht nachvollziehbar, weil die meisten klinischen Zentren sehr gute Spenderuntersuchungs-programme etabliert haben und das Spenderassessment auf höchstem Niveau durchführen können. Statt ökonomische Aspekte in den Vordergrund zu rücken, sollten das Wohl und der Schutz des Spenders an erster Stelle stehen – hier wird am falschen Ende gespart!“, kritisiert Prof. Jürgen Floege, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie. Hinzu komme, dass auch die Psychosomatik bei der Evaluation von Spender und Empfänger einen sehr hohen Stellenwert hat, was derzeit nicht überall der Fall ist, wie Suwelack ausführt.

Auch im Bereich der Nachsorge werde der Aspekt der Psychosomatik zu wenig beachtet. Derzeit ist aber nicht einmal die körperlich-medizinische Nachbetreuung durch die Kostenträger gesichert. Transplantationszentren sind zwar zur Durchführung der adäquaten Langzeit-Nachsorge von Lebendorgan-Spendern aufgerufen, auch besteht im Rahmen der gesetzlich verpflichtenden Qualitätssicherung sogar die Pflicht, dies zu tun und entsprechende Daten für eine deutschlandweite Auswertung zur Verfügung zu stellen, allerdings gibt es hierfür noch keine ausreichende Finanzierung durch die Kostenträger im Gesundheitswesen. „Obwohl mit der Novellierung des Transplantationsgesetzes entsprechende Voraussetzungen bereits im Jahre 2012 gesetzlich verankert wurden, ist deren Umsetzung zur Vergütung von Nachsorgeuntersuchungen bislang nicht erfolgt“, bedauert Suwelack und appelliert gemeinsam mit der DGfN an die Kostenträger, schnellstmöglich dieser Verpflichtung nachzukommen.

Weitere Informationen: http://www.dgfn.eu


Quelle: Pressemitteilung vom 14.09.2015 der  Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN)

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